KPBaumgardt am 10. Juli 2011 —

Buchvorstellung: Die Kunst des Alterns

Reifen und Loslassen, von Fritz Riemann und Wolfgang Kleespies.

Fritz Riemann, ein viel gelesener Analytiker, dessen BuchGrundformen der Angstein Besteller wurde, hatte in seinem Nachlass genug Material für ein weiteres Buch, das Fritz Kleespies fertiggestellt hat: “Die Kunst des Alterns”.

Jeder der vier Lebensabschnitte, die von dem Sinnbild der vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter symbolisiert werden, hat seine eigene Bedeutung, Aufgaben, Themen. 

Dass der “Sommer des Lebens” vorbei war, konnte ich mir noch vor dem 50. Geburtstag eingestehen; es wirklich zu verstehen ist aber eine andere Sache, und so war ich bei dieser Szene leicht geschockt:

Ein Kind, das im Kinderwagen spazieren gefahren wurde und schon über einen kleinen Grundwortschatz verfügte, bemerkte mich, deutete mit dem Finger auf mich und kommentierte laut und deutlich: “Opa” …  

Ist das Alter ein einziger Urlaub oder stellt es uns vor  besondere Aufgaben, welche Entwicklung kann ich noch erleben, welche positiven Aspekte dem Altern abgewinnen oder will ich von alledem lieber nichts wissen, sehen, hören? Wo und wann fängt das Alter an, und wann beginnt das Altern? 
Welche Rolle spielen künftig Genuss, Pflicht und Verantwortung, was ist mit der Altersweisheit, und welche Haltung nehme ich gegenüber dem nicht wirklich vermeidbaren Nachlassen der Kräfte und Ressourcen ein?

Ein Zitat kann am besten verdeutlichen, worum es in dem Buch geht:

"Es ist heute viel mehr von dem in … unserer eigenen Verantwortung, das man früher als “Schicksal” angesehen hat. Passives Hinnehmen des Schicksals ist der heutigen dynamischen Zeit fremd, und das wird sich auch auf die Einstellung zum Alter auswirken, welches wir durch vernünftige Vorbereitung und Gestaltung zu einem Lebensabschnitt machen wollen, der durchaus noch Gestaltungsmöglichkeiten enthält."

Neben diesen Gedanken zum Einstieg gibt es in “Die Kunst des Alterns” (hier als Hörbuch: wenn die Augen nicht mehr die besten sind, ist das ja auch schon ein Anzeichen des Alters!) die Kapitel:

  • Suche nach Glück
  • Die neuen Freiheiten
  • Altern als Lebenskrise
  • Erotik und Sexualität
  • Vorbereitung aufs Alter
  • Was das Altern heute erschwert
  • Was das Altern heute erleichtert
  • Alter und Tod
  • Schicksalsgemeinschaft als Erleichterung
  • Von den Tugenden des Alters
  • Von der geistigen Freiheit im Alter
  • Das Nicht-Loslassen-Können
  • Flucht vor der Einsamkeit

Logischerweise ist eine Vorbereitung aufs Alter sinnvoll, schließlich geht es um nicht mehr oder weniger als die bestmögliche Lebensqualität.

“Das Alter ist eine Erwartung, mit der wir rechnen müssen”.

Riemann hat uns einiges an Diskussionsstoff hinterlassen. So muss ich bei der “Schicksalsgemeinschaft” – hier sind Selbsthilfegruppen und ähnliche Solidargemeinschaften gemeint, an das “Modell” Bremer Stadtmusikanten denken, ein Modell, das damals wie heute utopisch ist.

Es geht unter anderem um die Frage von Verlusten, und was wirklich wichtig ist. So zeigte Riemann bei der Sexualität Gemeinsamkeiten zwischen “Alter” und “Kindheit” auf: Was einst noch nicht ging, geht dann nicht mehr. Ein spielerisches, aber bewusstes, wissendes Umgehen mit Sensualität wiederum war in der Kindheit unmöglich.

Die eigene Gesundheitsvorsorge wird vielleicht wichtiger als in jüngeren Jahren: Ausgleichssport und aufs Körpergewicht zu achten sind wohl die populärsten privaten Vorsorgemaßnahmen, die Riemann nennt. Allerdings gibt es bei ihm hierfür keine konkrete Hilfestellung, doch immerhin vermittelt sein Gesamtkonzept notwendige Einsichten – also mehr, als nur die Hände in den Schoss zu legen und business als usual laufen zu lassen. Auch im Alter scheint eben der berühmte Spruch von Erich Kästner zu gelten: “Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es”.

Was das Abnehmen betrifft: Hier wird es nicht mehr um ein jugendliches Pseudo-Idealgewicht gehen, sondern ums Erreichen realistischer Ziele. Einige "altersspezifische Überlegungen" hierzu unter "Abnehmen ab 50".

Ich kann aber auch gleich die Portionsdiät empfehlen ;-)

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Diskussion

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2 Kommentare zu „Buchvorstellung: Die Kunst des Alterns“.

  1. Oder auch:
    “ Es gibt nichts schönes, ausser man tut es.“

    Das älter werden kann manchmal eine Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, in welchem selbst früher peinliche Fehler nun eine sympathische Note bekommen.

    http://www.youtube.com/watch?v=tPi05Hk0tvg

    Schöne 5:40 Minuten.

  2. @ Menachem: „Schönes“ und „Tut es“ reimt sich aber nicht. Leider ist das Video inzwischen gelöscht. Im Gedächtnis hab‘ ich noch, dass ein alternder Künstler zusammen mit einer jungen Künstler einen Auftritt hatte, Sparte „Gesang“, und Beide haben gut miteinander harmoniert.
    Eine sentimentale Szene aus der Welt der Stars. Professionelle unter sich; der Ältere natürlich routiniert, auch, wenn es Pannen gibt. Ein Sonderfall, oder auf Jedermann übertragbar? Ich denke, ein Sonderfall, der mit dem Thema nicht so sehr viel zu tun hat – oder gehörte das in die Rubrik „Erotik und Sexualität“? Im weitesten Sinne unter „Partnerschaft zwischen Alt und Jung?“
    Was auf Bühne und Leinwand geschieht, sind allerdings Produkte der Unterhaltungsindustrie, dargestellte Träume und Wunschträume. Zwar hat Riemann die real existierende Generationenschranke nicht thematisiert, aber die außerdem genannten Themen sind auch nicht so ganz ohne – etwa „Schicksalsgemeinschaft als Erleichterung“.
    Was damit gemeint ist und andere Fragen find‘ ich eigentlich auch ganz spannend.
    Das Video hatte ich zunächst nicht so ganz verstanden.