Claudia am 29. März 2012 —

Pflege und Pflegereform bei Anne Will

„Es gibt keine Alten, nur ältere Menschen!“ – das sagte gestern Konrad Franke, 73, Journalist und Autor mehrerer Bücher über Wohnen im Alter bei Anne Will. Schießlich sei er für einen 30-Jährigen steinalt, gegenüber einem 95-Jährigen allerdings noch jung. Also weg mit „alt“?

Mich mutet seltsam an, wenn es keine Alten, sondern nur „Ältere“ geben darf. Spätestens von über 70-Jährigen erwarte ich eine gewisse Gelassenheit, ja sogar das, was man als „Weisheit des Alters“ beschreibt. Wenn schon das Wort ALT abgelehnt wird, wird es kaum gelingen, die positiven Seiten des Alterns wieder mit dem Begriff zu verbinden. Statt dessen Abwehr, wohin man schaut.

Die Talkshow mit Anne Will verhandelte das Pflegereförmchen, das die Regierung beschlossen hat. Hier hundert Euro mehr, da ein bisschen mehr Flexibilität in der Zuteilung von Pflegedienststunden. Alles zusammen einen Tropfen auf den heißen Stein, wie durch die Anwesenheit von pflegenden Angehörigen überdeutlich wurde.

Familie: ein Auslaufmodell?

Die Forderung von Barbara Scheel (Gattin des Altbundespräsidenten), den „Soli“ in einen Pflege-Soli umzuwandeln, finde ich gut – überhaupt ist nicht einzusehen, warum die Pflegeversicherung nicht erweitert werden soll. Der ebenfalls geladene Gesundheitsminister wies darauf hin, dass sie immer schon nur als Hilfe gedacht war, den Löwenanteil sollen und wollen die Familien tragen, wie er meint.

Doch Barbara Scheel zählte in der talkenden Runde nur Kinderlose und konterte: „Die Familie ist ein Auslaufmodell!“ Immer mehr Menschen leben allein, die geforderte „Flexibilität“ treibt noch vorhandene Familien auseinander – an dieser Entwicklung mogelt sich die Politik einfach vorbei und beschwört „Family Values“.

Nun, angeblich müssen wir uns nicht sorgen. Die Heime seien besser als ihr Ruf, berichtete Konrad Franke. Er habe immerhin 300 davon im Rahmen seiner Recherchen besichtigt. Da er aber auch erzählte, dass er die eigenen Eltern „ins Heim gedrängt habe“, kann es durchaus sein, dass er dabei eine rosa Brille trug, die alles halb so schlimm erscheinen ließ. Woraufhin Klaudia Güthues (pflegende Angehörige) berichtete, dass ihren Eltern, die sie nun doch ins Heim geben musste, abends die Zähne ‚raus genommen würden, was sie ihr ganzes bisheriges Leben lang nicht gewollt und nicht praktiziert hätten.

Von solchen Details wollte die Talk-Runde lieber nichts wissen. Und als Frau Scheel noch meinte, eine 95-Jährige leide sehr darunter, wenn sie von einem Schwarzafrikaner „intim gewaschen“ werde, reagierten alle wie panisch auf den „rassistischen Unterton“. Die Peinlichkeit, die die alte Dame verspürt, darf halt nicht sein, bzw. es muss betont werden, dass es doch wohl nur ums Geschlecht des Pflegers gegangen sei.

Nein, ist es vermutlich nicht. Meine hochbetagte Großtante war ganz genau so. Davon abgesehen wünsche ich mir an der Stelle glatt ein wenig mehr „islamische Würde“, nämlich weibliche Pflegerinnen für Frauen und männliche für Männer.

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Pflege und Pflegereform bei Anne Will“.

  1. Wenn die Familie den „Löwenanteil“ nicht mehr tragen kann muss das wohl der Steuerzahler machen. Ich frage mich nur, wie das in Zukunft gehen soll. Wenn 2030 jeder dritte deutsche über 60 ist sieht es ja wohl ein wenig düster am Himmel aus. Ich bin sehr gespannt, was sich die werte Politik aus dem Hut zaubern wird..

  2. Aber es ist nicht jeder 3. dann gleich pflegebedürftig!

    Vorgeschlagen wurde auch ein Pflichtjahr sozialer Arbeit, ähnlich Zivildienst. Und ich denke, dass auch ehrenamtliches Engagement mehr werden wird…

  3. Albtraum Pflege – bleibt …? Anne Will, 28.03.2012

    Sehr geehrte Frau Will,
    sehr geehrte Mitdiskutierende,

    die Leistungen der Frau Güthues wie auch der Frau Scheel verdienen hohe Achtung.
    Herr Bahr präsentierte eine Reform, die man als einen Schritt in die richtige Richtung sehen mag, so groß, dass der Schreitende aufpassen muss, dass er sich nicht mit der Ferse des schreitenden Fusses auf die Zehen des anderen tritt. Kläglich Herr Bahr!
    Die Möglichkeiten Pflege-, genauer der gesamten Sozialpolitik stehen und fallen mit der Familienpolitik, noch genauer mit dem durch die Politik seit Adenauer herbeigeführten Scheitern unseres Generationenvertrages – einem „Generationenkonstrukt“ so Ex-Verfassungsrichter Kirchhof.
    Der ehrliche Politiker müsste längst das seit Adenauer aus wahltaktischen Gründen, also vorsätzlich herbeigführte Scheitern eingestehen und eine Wende einfordern, eine Wende, wie sie im Konstruktionsplan dieses Modells, dem Schreiberplan 1957, unabdingbar vorgesehen war. Wie sie an den Zahlen schon in den 70er Jahren als zwingend notwendig erkennbar war.
    Ohne eine genügende Kinderzahl geht´s in der nächsten Generation einfach nicht mehr. Alte versorgen und Kinder groß ziehen sind nun mal die zwei gleichwertigen Leistungen, an denen sich alle die angemessen beteiligen müssen, die im Alter versorgt werden wollen. Stattdessen sehen wir jetzt hilflos, ja teils läppisch erscheinende „Maßnähmchen“ der Familien- und Sozialministerin. Verlogener geht es wohl kaum.

    Und dazu regt Frau Scheel – unwidersprochen! – an, man müsse „die Jugend einbinden, um die demografische Wende zu meistern!“ Ein verflichtendes soziales Jahr für alle!
    Fatal, so eine Aussage in eine Wähleröffentlichkeit zu senden, die zu 70 % Politik des demografischen Scheiterns aus eigennützigem Erwägen gern hinnimmt: „Lieber heute Vorteile haben, als für die Zukunft = für die nächste Generation Verzicht üben!“
    Polit-populistische Absicht, Frau Will? Verlangt Politik -> die ARD-Chefs das von Ihnen?

    Es ist ja grundsätzlich nicht abzulehnen, dass junge Leute aus rein sozialpädagogischen Gründen – wenngleich es sich volkswirtschaftlich nicht rechnet – ein solches den Gemeinsinn förderndes Training durchlaufen.

    Doch die Demografie (siehe Anhang) ist längst so weit fortgeschritten, dass sich die katastrophale Kehrseite zu zeigen beginnt. Dazu der Kommentar einer Mutter, Ende 50, zu ihrer Renteninformation von der GRV:
    „Drei Kinder durch´s Studium gebracht und dafür 281 € Rente! Zusammen mit meinem Mann zweimalGrundsicherung im Alter. Dieser Staat stielt mir meine Lebensleistung!“

    Wie werden die Kinder dieser Mutter das sehen? Die eigenen Eltern vom Sozialstaat um ihre Lebensleistung bestohlen, weil man Kinderlose nicht hinreichend an den Kosten beteiligen will, und dann für eben diese Kinderlosen im Alter die hohen Lasten tragen? Ihnen auch noch weit höhere Renten finanzieren als den eigenen Elten?
    Steigerung: Übersteigen die Pflegekosten der eigenen Eltern die Pflegesätze, dann müssen ihre Kinder zuzahlen. Für Kinderlose zahlen sie das über Steuern. Muss man Kinder tadeln, wenn sie das unter soziale Perfidität buchen? Glaubt wirklich jemand, dass die Jungen das nicht verinnerlichen, dass ihre Eltern Ihnen das nicht nahe bringen?
    Hier von moralischer Verpflichtung zu reden, wirkt nur noch pathetisch, zieht aber nicht mehr. Die Jungen entscheiden eigenständig, werden niemanden fragen, können schon schon gar nicht gezwungen werden zum Mitmachen. Zumindest die gut Ausgebildeten, die tüchtigen, Unternehmungsstarken werden. Nicht nur Ökonomen wissen, dass Egoismus die stärkste Triebfeder individueller Entscheidungen für die Lebensplanung ist.
    Noch eine Steigerung: Sollte die Auswanderung junger Fachkräfte – 2000 bis 2008 gingen allein rd. 500.000 junge Akademiker, von den ein Drittel die Demografie als Hauptmotiv nannte – sich fortsetzen, so werden die Lasten für die Jungen exponenziell steigen. Wie wird das auf die wirken, die eigentlich bleiben wollten? Dann doch auch lieber „nix-wie-weg“?
    Obendrein, wie unsere demografisch weit weniger schlecht dastehenden Nachbarländer junge Deutsche abwerben, oft schon während des Studiums, erlebten meine Söhne.
    Herrn Bahr, nicht nur ihm, täte es gut, mal mit jungen Leuten, die im Politikunterricht Themen wie Demografie, Sozialpolitik behandelten, zu diskutieren. Z. B. mit einer Klasse angehender Kaufleute, komplett mit Abitur, die meist nach der Lehre ein Studium anschließen. Und trifft man später den einen oder anderen aus einer solchen Klasse: „Ach, Herr Oldenburg, haben Sie gehört, der NN hat in der Schweiz einen tollen Job, die NN ist gleich in die USA gegangen nach dem Studium! Und ich hab´s leider verpasst!“

    Ist schon spannend, Frau Will. Oder? Aber halten Sie mich bitte nicht für einen Sozialidealisten. Als Volkswirt sehe ich die Dinge sehr nüchtern, weiß, dass man demografisch nicht über die nächsten rd. 20 Jahre hinaus prognostizieren sollte. Dazu drei gut ausgebildete Kinder, deren zwei nach dem Studium in einem Land mit demografischer Zukunft arbeiten.
    Ach ja, die Kinder o. g. Mutter sind inzwischen auch alle drei „weg“.

    Mit freundlichen Grüßen

    Heinrich Oldenburg

  4. Hallo Heinrich,

    ob das hier die passende Stelle für einen „offenen Brief an Anne Will“ ist? Besser, Sie publizieren den noch anderswo, wo er mehr Leser/innen findet als die paar, die mal in dieses kleine Blog schauen!

    Im übrigen: was schlagen Sie denn vor? Über Steuern werden Eltern ja immer schon zu recht bevorteilt – aus meiner Sicht könnte man auch das Ehegattensplitting Kinderloser noch abschaffen und die Einsparung Eltern zu Gute kommen lassen.

    Aber was sonst noch?

  5. Die Sendung war nur erträglich im Wissen, dass es sich um die typische „seichte Unterhaltung“ handelt. Der Journalist kam daher wie ein Mietmaul der Altenheim-Industrie, Du magst richtig liegen, er denkt sich den Umgang mit seinen Eltern schön; der Vertreter der Jungen stürzte sich mit einer Verve auf einen „rassistischen Unterton“, der mehr gewünscht gehört wurde als geäußert, Bahr schwätzte wie immer. Und bei Schneider darf man nicht vergessen, dass er die pflegeindustriellen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten hat, der Paritätische ist ja nicht „irgendwer“. Es gibt übrigens ja auch keine Frauen, nur noch Damen.

    Soweit habe ich die Sendung gesehen. Ein kleiner Ausschnitt der Probleme wurde zerredet. Wenn man 6 Leute zum Gespräch bittet und dann noch Filmchen und Randgespräch führt kann nicht mehr dabei rauskommen. 300 Heime entsprechen übrigens selbst bei sachlich-korrekter Beurteilung einer Stichprobe von knapp 5%, über die Zahl der repräsentierten Betten sagt das noch nichts.

    Der Zustand in den Heimen und der Altenpflege insgesamt sagt etwas darüber aus, wie die aktiven Vertreter dieser Gesellschaft mit Schwächeren umgehen. Und das kollektive Wegschauen erinnert mich an Diskussionen über den Holocaust: es muss doch jemand gewusst haben. Der steuerliche Umgang mit Eltern löst leider kein Problem, die Abschaffung des Ehegattensplittings auch nicht. Wohin diese Gesellschaft gekommen ist mit dem Recht auf Arbeit ist doch klar ersichtlich: jetzt müssen zwei Einkommen her um eine Familie zu ernähren. Ob das immer so gewollt war? Wenn wir, wie in Frankreich, die Kleinsten dann alle in Anstalten stecken, werden die nicht notwendig besser für ihre Eltern sorgen wollen im Bedarfsfall.

    Wir werden erleben was kommt. Und müssen bis dahin das Beste draus machen, jeder für sich, die Gesellschaft wird es nicht richten.

  6. @Wolf: Warum meinst du, die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten einer weiteren Besserstellung von Eltern brächte nichts? Geht es nicht darum, Kinderlose mehr an der Finanzierung von Kindern zu beteiligen? Warum sollen Leute weniger Steuern zahlen, bloß weil sie verheiratet sind? In aller Regel sparen sie doch eh schon Geld, indem sie zusammen wohnen und wirtschaften.

  7. Es wäre nur eine Mehrbeteiligung kinderloser Verheirateter, keine Mehrbeteiligung Kinderloser. Ob man mit einer Änderung (zu weiterer Missachtung) von Ehe etwas Gutes bewirken kann ist vielleicht von politischen Grundannahmen abhängig. Ich sehe das unvollkommene Modell der Ehe als eine Grundsäule des Sozialstaats, seine Nivellierung gefährdet aus meiner Sicht eine der ideologischen Grundfesten. Und von einer „weiteren“ Besserstellung der Eltern zu sprechen verbietet sich m.E. bei der Schlechtstellung von Eltern. Sie schultern weitgehend die Zukunft des Staats und Sozialwesens und werden dafür keinesfalls wirklich belohnt.

  8. Die Abschaffung des Ehegattensplittings würde dem Staat Milliarden in die Kassen spülen. Entspricht die „Singleehe“ denn deinem Bild von Ehe? Bei der hohen Zahl von Scheidungen, ist da die Ehe wirklich noch der Bund für´s Leben? Und die Kleinfamilie wie wir sie kennen ist erst mit der Romantik des 19. Jahrhunderts entstanden. Wozu führt es denn, wenn die Kinderbetreuung in der Kleinfamilie finanziert wird? Wer bekommt dann die Kinder? Mal so ausgedrückt: bestimmt nicht die, für die die Erhöhung des Kindergeldes einen Anreiz darstellt, Kinder zu bekommen :-) Neue Lebensformen in Großfamilien würden vielleicht sogar das Problem mit der Altenbetreuung lösen … aber davon sind wir leider meilenweit entfernt mit all den konservativen Politikern, die ein verschwiefeltes Familienbild propagieren, das so wie in der Ideologie angedacht, nie funktioniert hat. Alles Geld den Kindern, nicht den Eltern. Das sollte unsere Forderung sein.

  9. Wolfs Äußerung

    „Es wäre nur eine Mehrbeteiligung kinderloser Verheirateter, keine Mehrbeteiligung Kinderloser. “

    ist an sich schon absurd. Schließlich sind auch „kinderlose Verheiratete“ kinderlos!

    @Peter: bin voll deiner Meinung – es sind die Kinder über die Eltern zu fördern – nicht Menschen, die einfach nur heiraten. Im Grunde könnte sich der Staat wegen mir aus solchen Zweierversprechen ganz heraus halten – erst die „Elternschaft“ sollte institutionalisiert und gefördert werden. Es täte allen gut, wenn mehr Bewusstsein dafür entstünde, dass Elternschaft etwas ANDERES ist als romantische Liebe – und nicht einmal mit ihr verbunden sein muss. Viele Rosenkriege ums Kind würden in dieser anderen Famlienkultur dann tendenziell entfallen.