Claudia am 20. Februar 2011 —

ARD-Doku: Die verunsicherten Alten

Gerade hab‘ ich mir in der Mediathek die Doku „Die verunsicherten Alten“ aus der Serie „Deutschland unter Druck“ angesehen. Ein beeindruckender, die Widersprüche und Probleme alter Menschen heute ins Zentrum stellender Film!

Arme Alte, reiche Alte

Einerseits hören wir fortwährend, es wäre Rentnern noch nie so gut gegangen wie heute. Doch 2,5 Millionen Alte sind „armutsgefährdet“, also jeder siebte. Zum Beispiel Ilse Baumann aus Berlin, 74, die mit 650 Euro im Monat auskommen muss – für alles, denn sie bekommt wegen dieser „zu hohen“ Rente keine Grundsicherung. Noch wohnt sie selbstständig, kann aber ihren Lebensgefährten in einem Berliner Pflegeheim nur zweimal im Monat besuchen: die Tickets sind zu teuer, ein Sozialticket bekommt sie nicht. Ihre Enkel besucht sie nicht mehr, weil sie sie nicht – wie die „anderen Großaltern“ – beschenken kann. In der vierten Woche des Monats kocht sie nur noch Kartoffeln.

Dagegen geschnitten werden die Lebensumstände gut situierter sorgenfreier Senioren. In luxuriösen Wellnesshotels lassen sie sich verwöhnen, gehen auf Reisen, ins Theater, in Konzerte, und freuen sich darüber, niemandem zu irgend etwas verpflichtet zu sein. Ein altes Paar hat mit Ende 70 nochmal ein Haus gebaut: den Alterssitz in einer Seniorensiedlung, 300 Kilometer fern der Heimat, weit weg von den Nachkommen und allen Freunden. Sie wollen niemandem zur Last fallen, wohl aber selbst über ihr Leben bestimmen. Im Seniorendorf geht das, wenn man es sich leisten kann.

Fit und aktiv versus pflegebedürftig und abhängig

Alle wollen gerne im Alter fit, aktiv und leistungsfähig bleiben. Doch nur wenige schaffen das bis in die späten Jahre. Hans Adamcewsky ist 81 und übt sich noch immer im Klettern, ersteigt Steilwände und meint, der Adrenalinschub täte ihm gut. Man müsse sich weiterhin Ziele setzen, sagt er: etwas wollen und erreichen – nur so sei das Leben lebenswert. Nicht indem man im Lehnstuhl sitzen bleibt und dem Enkel über den Kopf streichelt.

Auch Karsten Jahnke, 73, gehört zu den Non-Stop-Leistungsfähigen: er steht noch voll im aktiven Geschäft mit der eigenen Konzertagentur und kann sich nicht vorstellen, mit der Arbeit aufzuhören. Wichtige Entscheidungen trifft er am liebsten selbst. Und er meint, ein starres Rentenalter sei entbehrlich: wer noch etwas leisten könne, solle auch weiter arbeiten dürfen.

Ganz anders das Leben im Alten- und Pflegeheim. Der tabuisierte Gruselort, den alle gerne vermeiden wollen. Dort lebt Helga Sturm auf 17 m² nach fremden Rhytmen und Vorgaben. Die freundliche Frage der Plegerin „Wollen Sie aufstehen?“ beantwortet sie mit „muss ja wohl“.

Und ja, so fremdbestimmt ist es im Heim durchweg. Selbst noch rüstige Alte müssen sich an- und abmelden, wenn sie das Haus verlassen. Was viele aber gar nicht mehr hinbekommen, denn Personal fehlt an allen Orten. So sitzen sie dann eben Tag für Tag um die Tische der Aufenthaltsräume und warten auf den nächsten Verköstigungsevent.

Hilde Lens, 94, fungiert als Lichtblick und „alte Weise“ im trüben Pflege-Szenario. Sie meint, man müsse alles nehmen, wie es komme, sonst werde man „mäkelig“. Und man solle tun, was man noch tun könne, was sie auch selber vorlebt, indem sie den anderen Heimbewohnern hilft, wo sie kann.

Ausblick? Trübe!

Die Sorge, die Kinder zu belasten, bewegt arme und reiche, rüstige und pflegebedürftige Alte. Dagegen wirkt der Altersforscher Andreas Kruse (Jg. 1955) wie ein Rufer in der Wüste, wenn er fordert, die Pflege als Teil des normalen Lebens zu betrachten und auch so zu organisieren. Lothar Spät meint, die Alten bräuchten neue Anregungen, um sich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Und auch Margot Käßmann spricht von „neuen Links im Kopf“, die zu einem guten Alter beitragen könnten. Ein bisschen wenig, gerade wenn man an jene denkt, denen schon das Geld für eine normale Ernährung fehlt.

Bis 2050 wird sich der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung verdoppeln. Und noch weit mehr davon werden arm sein, bzw. von der Grundsicherung leben. Prof. Andreas Kruse empfiehlt, sich schon weit vor dem Eintritt in die hoch betagte Phase Gedanken zu machen, wie man den letzten Lebensabschnitt verbringen will. Aber hilft das gegen Altersarmut in einer Wirtschaft, die Menschen schon gerne ab 50 aussondert?

Auch ich werde keine ausreichende Rente bekommen. Bisher ist mir dazu auch nichts anderes eingefallen, als eben immer weiter zu arbeiten. Was als „Maus-Klickerin“ sicher besser geht als als Dachdecker! Meine Generation (jetzt Mitte 50) altert ja mit mir, zudem gibt es (noch) jede Menge Ältere, die meine Internet-Dienstleistungen vermutlich noch lange in Anspruch nehmen.

Was später kommt, weiß ich nicht – aber vielleicht bin ich ja dann immer noch die Herausgeberin des 30 Jahre alten „Kunst-des-Alterns“-Blogs und habe Einnahmen durch die Werbung für Rollatoren und Seniorenresidenzen – toi toi toi!

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Bild: Günter Havlena, Dieter Schütz / pixelio.de

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Diskussion

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3 Kommentare zu „ARD-Doku: Die verunsicherten Alten“.

  1. Auch meine Rente wird nicht üppig sein, zwischen 700 u.800 €. Ich stelle mich innerlich darauf ein zumindest einen kleinen Nebenjob machen zu müssen um mir hin und wieder was leisten zu können! Babysitten oder so! Ich arbeite seit meinem 19.Lebensjahr, habe 10 Jahre als alleinerziehende Mutter Tageskinder fürs Sozielamt(Jugendamt) betreut. Seitdem arbeite ich wieder Vollzeit, aber im EZH verdient man halt nicht so viel.
    Wenn ich an die alten Menschen jetzt denke, dann beschämt mich das schon, denn diese Frauen und Männer haben dieses Land wieder aufgebaut und dann „durften“ die ‚Frauen sich wieder ins Haus und an den Herd berdrücken, mit dem Erfolg, dass sie besonders von der Altersarmut betroffen sind!

    Ich mache mir schon Gedanken und werde mir in den nächsten Jahren eine schnuckelige kleine Wohnung mieten die ich auch im Alter noch pflegen kann und werde versuchen so lange wie möglich in meinen eigenen 4 Wänden zu bleiben!

  2. Alles reibt sich verwundert die Augen, dass die Älteren in Heimen abgestellt werden, dass die familiäre Mithaftung heute nicht mehr funktioniert, dass Einsamkeit, Armut und Depression im Alter wohl zum Alltag gehören. Mich wundert das nicht, bei der Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit, das von dem sogenannten Mittelalter an den Tag gelegt wird. Jeder kann den Selbstversuch machen und in seiner direkten Umgebung Menschen im Alter von 45 – 55 darauf ansprechen, dass jetzt die Zeit reif ist, sich konkret mit dem „Älterwerden“ auseinanderzusetzen. Sich jetzt Gedanken darüber zu machen,
    wie ich im Alter wohnen will, spätestens jetzt mit einer gesunden Lebensweise zu beginnen, um die üblichen Altersgebrechen deutlich zu vermindern, sich jetzt in Netzwerken zu organisieren, die auch im höheren Alter Bestand haben und die Lebensumstände und die Lebenskosten erheblich minimieren. In diesem Alter von 45- 55 werden die Fundamente für eine solide Altersdasein gelegt, wenn Sie gerade nicht zu den Superreichen zählen. Lassen Sie sich von den Antworten überraschen und prüfen Sie Ihre eigen Einstellung.

  3. Jeder sollte frühzeitig Vorsorge fürs Alter betreiben, egal ob finanziell gesehen oder gesundheitlich, denn es ist schon erschreckend zu sehen, wie sich das ganze mittlerweile entwickelt und wieviele Menschen zudem in die Altersarmut geraten. Das sollte jeder versuchen zu verhindern.