wenn ich auf meinem sofa liege, formuliere ich ganze ergüsse über das alt- und älterwerden, und wenn ich an meinem mac sitze und sie aufzeichnen will, lassen sie sich nicht mehr sehen. ich weiß nicht, wo sie sich verbergen. mein gehirn wird mir mit zunehmendem alter schleierhafter – im wahrsten sinne des wortes. und so zwinge ich heraus, was ich im geheimsten winkel meines gehirns noch herauskratzen kann.
mit sechszig habe ich noch locker geschrieben über das älterwerden. aber je älter ich werde – und das ging in meiner erinnerung rasend schnell – dass ich nicht nachkommen konnte mit meinen gedanken. rasend schnell geht jetzt das älterwerden und es ist gleichermaßen eine freude, einen tag und noch einen erleben zu können, und andererseits eine große trauer darin, die dinge nicht mehr so handhaben zu können, wie es vor noch etwa zwanzig jahren gegangen ist.
aus diesem gewesenen heute zu schöpfen, reicht einfach nicht aus und erreicht die fülle des erlebten nicht annähernd. da ich den grad meiner erinnerungen immer klein gehalten habe, sind die letzten jahre besonders present, und ich laufe quer durch den urwald und die orte, an denen ich mich so lebendig fühlte, falle und stehe wieder auf, fotografiere und erblicke schon das nächste bild, gelange tiefer und tiefer in den wald hinein und bin ganz wald, ganz baum, ganz moos, ganz licht, ganz sonne. alles ist um mich und ich bin in dem alles, bin alles und nichts.
und noch einmal mensch werde ich des nachts, wenn ich an die orte zurückkehre und die bilder noch einmal vor mir auftauchen und mich aufs neue fesseln. ich werde ganz wald und die nacht wird ganz wald. er begleitet mich in meinem schlaf und die träume werden grün – sehr grün.
all das geht nun nicht mehr. ich kann nicht mehr – ich kann nicht mehr durch den wald springen, bin den bäumen und pflanze nur noch gedanklich nahe. und oft denke ich, wenigstens das, wenigstens durfte ich ihre bekanntschaft machen und oft mehr. ihre nähe zu mir, meine nähe zu ihnen – es war und ist ein fast unvorstellbares erleben.
und ich sah sie noch fallen, sah, wie das alter auch ihnen zusetzte – fast synchron mit meinem zerfall. es macht mich traurig, das mitzuerleben und es tröstet mich gleichzeitig. würdevoll nehmen sie ihr schicksal an, majestätisch fallen sie in sich zusammen und bleiben noch lange an ihrem ort.
das alter bei menschen und bäumen ist ein so sehr unterschiedliches, dass ich an ihr langes leben und damit erleben, an ihre weisheiten und handlungen einsichten zu erkennen glaube, die mir bei meinem älterwerden hilfreich sein können.
die krankheiten und damit einschränkungen, die bäume im laufe ihres lebens hinnehmen, machen es oft für menschen nicht unbedingt sichtbar und lange noch ist ein ablebender baum für mich noch baum, und tröstet bis zuletzt und oft noch darüber hinaus.
einen baum besuche ich regelmäßig, so wie man vielleicht ein grab eines menschen besucht, und ich habe mit ihm so unwahrscheinliches erlebt, dass es mir für mein sterben ausreichend trost geben müßte. aber ich bin ein mensch und kein baum – und das trennt uns wieder. das verbindende ist auch gleichzeitig das trennende. das muß erst mal in mein kleines menschenhirn hinein.
ich konnte zuletzt durch meinen baum hindurchkriechen und nun ist er anfang diesen jahres ganz zusammengebrochen. nach dem tod kommt das vergehen.
wir menschen begegnen unserem vergehen, indem wir es durch das feuer beschleunigen und vorwegnehmen. mein baum, wartet die zeit seines vergehens unwahrscheinlich geduldig ab. und noch immer ist er mein baum. wenn ich mein baum sage, meine ich nicht den, der er einmal war, aufrecht und stolz, sondern wie er nicht versucht, seinem werdegang mit anfang und ende zu entgehen und vielleicht sehnsüchtig darauf wartet, erde, wieder erde zu werden, aus der er hervorging. auch ich möchte zu erde werden und ihm in dem seinszustand begegnen und ihm sagen, dass er mir hilfe und trost war.
und DAMIT HÖRT ES WIEDER AUF. – obwohl es noch nicht zuende ist…
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Anmerkung der Redaktion: Rosadora hat auch ein Blog mit vielen schönen Fotos und Texten. Auch über ihren Baum!
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Ein Kommentar zu „JETZT GEHT ES WIEDER LOS…“.