Claudia am 04. Juni 2025 — 3 Kommentare

Rosadora: DAS WUNDERBARE AM ALTER

Dies ist ein Gastbeitrag von Rosadora (Jahrg. 1939), die schon des öfteren Beiträge zu diesem Blog gegeben hat. Ihr eigenes Blog „Rosadoras Kunstgarten“ ist sehr sehens- und lesenswert! Einen kleinen Überblick anhand der letzten Einträge gibt dieser (mit der KI NotebookLM erstellte) fünfminütige Podcast:
 

Und nun der Text von Rosadora mit dem schönen Titel:

DAS WUNDERBARE AM ALTER IST…

dass es die kenntnisse eines langen lebens enthält – meines lebens,
dass es einmalig ist und kein zweites mal in erscheinung tritt.

Rosadora

verändert tritt das erinnern in den vordergrund ohne dass ich es bewusst herbei hebe.
war mir in junger zeit noch das nichterinnern wichtig um mich auf das vor mir liegende zu konzentrieren – wie es eine russische psycho-therapeutin mir glaubhaft hervorstrich – kommen jetzt die momente des erinnerns ohne es abzurufen hervor – oft in träumen.

erinnern ist unabdingbar für das verstehen – das verstehen dessen was in meinem langen leben zusammen gehört – zusammengehörig ist es ja das erlebte – besonders das erlebte aus der kindheit.

ich erkenne da die sieben jahre evakuierung auf ein kleines dorf – dorla – während des krieges.
im nachhinein erscheinen sie mir als die schönsten jahre meiner kindheit – erleben durfte – um es zu beschönigen und hervorzuheben – bei all den entbehrungen des barbarischen – es gab nichts aber auch garnichts zu kaufen – in d. gab es nicht einen einzigen laden – entbehrungen machen erfinderisch – fördern die fantasie und was erheblich dazu beigetragen hat die absurde lage zu durchleben war: ich hatte eine starke mutter die aus allem etwas machen konnte:
ihr fazit war ICH KANN DAS!
(in meinen lebenaufzeichnungen schildere ich das ausführlicher).

erst viel später wurde mir klar dass ich diese maxime meiner mutter unbewusst beibehalten und beherzigt habe – (maxime bezeichnet nach heutigem Verständnis die „oberste persönliche Lebensregel“ bzw. einen persönlichen Grundsatz des Wollens und Handelns (La Rochefoucauld, Goethe).
ich erwähne es weil mir erst mein erinnern durchsichtig gemacht hat was mein leben geprägt hat –
was mich ausmacht – mir mein spezielles gibt – und dass es dies nicht noch einmal gibt.

die einmaligkeit ist und war mir immer wichtig – nie wollte ich sein wie alle anderen – nie wollte ich sein wie…
mein starkes gefühl zu mir selbst habe ich in dieser kindheit erworben
ich war und bin neugierig und wissbegierig und bin es bis heute geblieben – ich kann mich nicht erinnern mich auch nur ein einzigesmal gelangweilt zu haben.

Rosadora

ich erzähle dies weil mein spätes erinnern mir dies aufträgt um meinen eigenen lebensfaden zu spinnen in den mein verstehen eingewoben ist – dieses verstehen ist der eigentliche und einzige sinn meines lebens.
dieses erinnern in meinem hohen alter – dieser sinn den ich ihm dadurch gebe – lässt mich auf all die jahre beglückt und zufrieden zurückschaun.

vieles ist nicht mehr machbar – vieles nicht mehr erreichbar – aber ich weiss zu schätzen – hoch zu schätzen – dass mir bei all meinen körperlichen gebrechen mein kopf und das was ihn bewegt und ins leben hievt erhalten geblieben ist.

einige menschen durfte ich bei ihrem sterben begleiten und ganz wesentlich erscheint mir für mich – bis zuletzt ich selbst bleiben zu dürfen.

dieser tage starb meine seelenfreundin rosmarie in der schweiz – aus unerkennbaren gründen durfte ich den letzten weg nicht mit ihr gehen – aber mir wurde berichtet – das sie bis zum letzten augenblick ihr leben selbstbestimmt beenden konnte.
für ihr plötzliches weggehen erstrebe ich einen weg den ich allein weitergehen muss und kann und kam zu dem schluss dass sie ja nicht gegangen ist sondern dass sie bei mir ist – im leben wie im tod.

diese frage nach dem danach stellt sich immer mehr und steht neben all dem positiven das es ja im alter auch noch gibt.
das gleichgewicht zu halten ist in keiner lage leicht und schon gar nicht einfach – von geburt an ist das eine der wichtigsten aufgaben – wir lernen laufen und das gleichgewicht spielt da die offensichtlichste rolle – und bei allem was wir tun bedarf es eines g l e i c h gewichts:
gleich – ausgleich – vergleich – abgleich – wenngleich – obgleich.

aus dem gleichgewicht können wir bei vielem geraten – in gesprächen zum beispiel – dabei kann der begriff und das verstehen des ausgleichens völlig verschieden ausfallen.

wenn junge und alte sich in ein gespräch einlassen erfordert das ein höchstmass an gleichgewicht ob der vielen unterschiedlichkeiten
einen rechten veitztanz muss ich da zwar selten aber doch hin und wider aufführen um durch besserwisserische äußerungen – die wohl das alter herbeizaubert – nicht zu verletzen.

Rosadora

gleichgewicht fällt mir gerade erst jetzt als ein wesentliches vorkommen in unserem leben ein – anwendbar auf viele lebens-gestaltungsprinzipien.

Es gibt Vorkommnisse im Leben, über die man nur mit sich selber reden kann. sagt Ernst Ferstl (*1955), österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker. doch hinundwider mit anderen menschen sprechen ist ein grundbedürfnis – und das geht nicht ohne das gleichgewicht zu bemühen.

über das alter zu sprechen bedarf einer enormen balance um ein gleichgewicht zu erhalten. auch bei gleichaltrigen falle ich da vollkommen aus dem rahmen.

mein leben ist so sehr verschieden von dem der anderen.
oft werde ich bestaunt und beglückwünscht sogar – gern würden sie es mir nachtun – aber den preis wollen sie dann nicht bezahlen.

Rosadora

wo wir bei den wertigkeiten wären:
was ich für mein leben und in mein leben wertschätze ist – wie margot friedländer es uns aufgetragen hat und schon lange in mein leben integriert ist SEID MENSCHEN – WERDET MENSCHEN.

auch das habe ich bei meinem landleben gelernt. gern hielt ich mich bei den dorfnachbarn auf – weil mich da so eine besondere (un)ordnung inspirierte – gern sass ich im alten ohrensessel und holte mir da läuse – nicht wenige – zum entsetzen meiner mutter.

der bauer sprach dann das erlösende mir unvergessliche wort: du machst auch krumme kniee beim scheissen – wau –
es schallt noch immer bis zu mir her – enthielt aber die noch heute gültige aussage – alle menschen sind gleich – basta…
die vorstellung von menschsein ist trotz benennung dieses anliegens so vieldeutig wie es menschen gibt beinhaltet aber grundlegen um eine friedliche welt zu schaffen dass ich jede person als MENSCH sehe und auch so behandele.

mein schwerpunkt ist meine kunst – ART –
mit meinen bildern und schreiben (im blog: rosadora.de – seit über 25 jahren) will ich zeigen dass natur vorrangig ist vor uns –
siehe DIE WURZELN DES LEBENS emanuele coccia – die überwältigende schönheit lässt das erkennen.

auch das alter – das werden und vergehen – ist in allen pflanzen allen bäumen ablesbar – verwandlung ist das erklärende
die eigene verwandlung können manche menschen besonders im alter nicht ertragen.
immer wollen sie alles gleich haben – sie orientieren sich an anderen
und was “man macht” bestimmen auch all die anderen.
– das ist wohl der sucht nach sicherheit zuzuordnen –
und vertrauen in das eigene – geht gar nicht – könnten ja… würden ja… die anderen… ich frage: UND DU SELBST????

das selbst ist schwer zu erringen – braucht selbstbewusstsein – kraft und anstrengung und einiges mehr.
sich wagen – die dinge angehn – angstlos – arglos – vertrauensvoll – sein lassen – machen – und und und…
das ist arbeit – nie habe ich nach meiner kaufmännischen tätigkeit mich wieder einstellen – anstellen – beauftragen lassen
habe nur noch selbst getan – selbstorganisiert – selbstverantwortet –
bin SELBST geworden.

Rosadora

entwickeln kann frau sich in jedem alter – und immer wieder neu – ich habe es mir so eingerichtet und denke und hoffe dass es nicht so schnell vorbei ist – meine ideen wollen nicht enden…
drückt mir die daumen!

rosadora

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Diskussion

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3 Kommentare zu „Rosadora: DAS WUNDERBARE AM ALTER“.

  1. die fotos von dir sind ausgezeichnet.
    das macht laune.
    ich schätze meinen 95-jährigen Nachbarn, der als 15-jähriger in Kriegsgefangenschaft geriet und hellwach ist, immer noch.

  2. in kriegsgefangenschaft war ich zwar nicht
    aber den krieg habe ich vom 1. bis zum letztn tag miterlebt
    mit 86 habe ich noch einen hellen wachen geist
    und hoffe dass der mich nie verlässt
    DANKE für dein interesse
    rosadora

  3. Liebe Rosadora,
    deinen Gastbeitrag habe ich mit großem Interesse gelesen und die Seitenadresse spontan in meiner Leseliste gespeichert. Zum immer mal wieder lesen und darüber nachzudenken.
    Ich freue mich sehr, dass Claudia dieses ganz besondere Blog bisher (noch) nicht gelöscht hat und hoffe, dass ich sie mit meinen mehrfachen Bitten um „Wiederbelebung“ nicht allzu sehr genervt habe.
    Wir beide sind übrigens etwa gleich alt und ich habe kürzlich unter dem Thema: Älter werden – eine Herausforderung
    https://forum.bloghexe.de/forum/thread/392-%C3%A4lter-werden-eine-herausforderung/
    im Bloggerforum BLOGHEXEN auch einen Beitrag geschrieben.
    Vielleicht lesen wir ja bei Gelegenheit von einander. Ich würde mich freuen.
    Herzliche Grüße
    Fred

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