Neulich in der Berliner Charité, Virchow Krankenhaus, Augen-Ambulanz. Ich muss viereinhalb Stunden warten und bin fast verdurstet, bevor mich endlich eine Ärztin empfängt. Frau Doktor – geschätzt Ende dreißig – wirkt ein wenig nervös. Ich darf mich setzen. Sie studiert die Kurzfassung meines Leidens, die meine Augenärztin mitgegeben hat und sagt:
„Darf ich Sie fragen, wie alt Sie sind?“
Sie flüstert es fast und schaut mich dabei an, als solle ich ihr eine ansteckende Geschlechtskrankheit beichten.
„Sechsundfünfzig!“ sag‘ ich fröhlich und lächle.
„Es ist nicht bös‘ gemeint“, fügt sie nun noch betretener hinzu, „wir müssen das halt fragen!“
Himmel, immer dann, wenn es wirklich angesagt ist, fallen mir keine wirklich spritzigen Sprüche ein! Immer erst im nachhinein. Aber was ich auch sagen würde: sie ist gefangen in ihrem Jugendwahn, in ihrer Angst vor dem Altern. Vermutlich schaut sie täglich besorgt in den Spiegel und überlegt, ob sie die ersten feinen Linien nicht doch weg-botoxen soll.
Einerseits tut sie mir leid, weil ihr mit dieser Einstellung eine gar nicht angenehme Zukunft droht. Andrerseits bin ich verärgert: Was fällt dieser Schnepfe eigentlich ein, mein Alter so mies zu machen? So zu tun, als sei es eine Katastrophe, über 50 zu sein? Wie kommt sie bloß darauf, anzunehmen, dass ich mich für mein nicht-mehr-jung-sein schämen könnte?
Andrerseits bin ich ihr DANKBAR! Sie hat mir den letzten Anstoß gegeben, dieses Blog zu beginnen. Hier werde ich gegen die kollektive Neurose in Sachen „alt werden“ anschreiben! Gegen den Wahnsinn, das Altern als eine Art Krankheit zu betrachten, die man schamhaft verbergen muss, um nicht anzuecken. Gegen die Verrücktheiten, die aus dieser Bemäntelung, Verdrängung und Ignoranz entstehen. Hier wird es nicht um „Senioren“ oder „Golden Ager“ gehen, sondern um das ganz normale ALTERN. Um ältere Menschen, um alte Menschen – und um mein eigenes Erleben mit alledem.
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18 Kommentare zu „Es ist nicht bös’ gemeint!“.