Unter dem harmlosen Titel „Worauf ich hoffe“ veröffentlichte der Autor Christopf Hein (Jg.1944) eine Neujahrsrede an die Jugend, die ich nur äußerst zynisch nennen kann. Kleine Kostprobe:
„Werden Sie, anders als wir, begriffen haben, dass unser Leben vergänglich ist? Dass es auf dieser Erde eigentlich unsere Aufgabe ist, an einem Haus zu bauen, das nicht allein für uns nutzvoll ist, sondern auch Menschen Schutz gibt, die wir nicht kennen, weil sie noch gar nicht geboren sind? Oder werden Sie wie wir nur an einem Häuschen für sich selbst bauen, dem sprichwörtlichen Häusle, kostengünstig, mit guten Abschreibemöglichkeiten, um unser Allerheiligstes, unser Bankkonto, nicht allzu sehr zu strapazieren?“
Wir haben die Welt ausgesaugt – Ihr müsst das wieder richten!
Was folgt, haut in diesselbe Kerbe, von Seite zu Seite drastischer: Die eigene Generation wird im vereinamenden großen „Wir“ in die Pfanne gehauen. Alle Schrecklichkeiten, Katastrophen, Gefahren und Versäumnisse werden anklagend „eingestanden“ – um dann den Jungen zu sagen: ja, wir gierigen Versager hinterlassen euch eine schlimme Welt, wir schützten das Kapital, aber nicht das Klima. Es ist an euch, jetzt alles anders zu machen!
Was will der Autor damit denn erreichen? Glaubt er, dass die Jüngeren dadurch wirklich ermuntert werden, ANDERS zu leben? Denkt Hein allen Ernstes, dass „die Jugend“ dankbar sei für den Rat, nun Wasser statt Wein trinken zu sollen, weil die Welt von den daseinsgefräßigen Altvorderen genüsslich ausgeplündert wurde?
Eine demotivierendere Rede hätte er kaum halten können, besser wäre gewesen, gar nichts zu sagen!
„Wir, die Älteren, meine Generation, sollten uns bei Ihnen, den Jungen, für das Erbe, das wir Ihnen hinterlassen, entschuldigen. Wir haben Gesellschaften eingerichtet, die mit der Welt umgehen, als ob alles unendlich sei. Aber alles ist endlich. Und nun ist die finale Katastrophe in greifbare Nähe gerückt. Und zu dem Erbe, das Sie auf Gedeih und Verderb anzutreten haben, gehört auch, dass Sie etwas tun müssen. Etwas Grundsätzliches. Sie müssen etwas tun, was wir nie geschafft haben: Sie müssen zur Vernunft kommen.“
Nach dem folgenden Ausmalen der Apokalypse dann noch der abschließende Satz:
„Wenn Sie den Mut haben, uns nicht zu folgen, dann werden Sie auch die Kraft dafür finden. Ich wünsche Ihnen Glück. Machen Sie es besser als wir, bitte.“
Na klasse! Wäre ich jung, würde ich mich für solche „Ermunterungen“ herzlich bedanken und dem „kritischen Autor“ den Stinkefinger zeigen. Läge Herrn Hein wirklich das Schicksal der Nachkommen am Herzen und nicht das möglichst brilliante Vorführen seiner analytischen und literarischen Kompetenzen, hätte er lieber gar nichts gesagt als derlei Zumutungen zum Besten zu geben.
Mut und Kraft vermittelt man nicht, indem man „der Jugend“ erzählt, wie furchtbar alles ist (das bekommen die schon selber mit!), sondern indem man z.B. zeigt, wo es gelungen ist, erfolgreich gegen den Strom etwas zu erreichen – im eigenen Leben, in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.
„Wenn wir es nur wollen und machen, kommt der Stein ins Rollen und Krachen!“ – das war ein gern kolportierter Spruch aus MEINER Jugend. Der auch immer noch eine Wahrheit beschreibt und als „Rat an die Jugend“ besser taugt als selbstgefällige Entschuldigungen für die Schandtaten eines großen „Wirs“, dem man sich im Grunde selbst nicht zugehörig fühlt.
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5 Kommentare zu „Wie man der Jugend NICHT raten soll“.