Dieses Thema ist ein bisschen schwierig, denn wer darüber aus subjektiver Erfahrung schreiben wollte, müsste sich einerseits zum „alt sein“ bekennen (und wer will das schon?), andrerseits allen Ernstes von sich selbst behaupten, weise zu sein. Beides Peinlichkeiten, die man sich – eitel und bescheiden zugleich – dann doch lieber erspart.
Ich nähere mich der Altersweisheit also besser über den Anlass, der mich dazu bewegt hat, nach deren Sinn und Nutzen zu fragen. Als ich gestern das neue WEGE-Magazin („Österreichs größtes Magazin für ganzheitlich denkende und handelnde Menschen“) für mein Lustgespinst-Blog rezensieren wollte, fiel mir auf, dass all die Weisheiten, die da über „Männer & Frauen“ zu lesen waren, von Menschen im vorgerückten Alter stammten. 48 und 49 Jahre hatten die beiden jüngsten Autoren schon auf dem Buckel, zwei weitere sind in den Fünfzigern, die Mehrheit hat die 60 deutlich überschritten.
Ein zahnloser Mund hat nicht das Recht zu jeder Wahrheit
– Nietzsche –
Alle schreiben sie über Männer und Frauen, über Sex, Beziehung, Geschlechtsrollen und, und, und… – und haben die „heiße Zeit“ doch selber lange hinter sich. Wenn die Hormone nicht mehr treiben, lässt sich leicht weise Reden schwingen! Aber: Wie relevant sind derlei Erkenntnisse späterer Jahre für Jüngere? Zum Beispiel ein „Loblied auf die Impotenz“ als Plaidoyer für entschleunigten, gemächlichen, herz-zentrierten Sex: verhilft das einem Mann in den Zwanzigern und Dreißigern tatsächlich zu mehr Gelassenheit?
Auch ganz unabhängig vom Geschlechterthema stellt sich die Frage, was eine Generation der anderen überhaupt jemals nützen kann. Wer schon alles erreicht hat, was individuell zu erreichen war, steht anders im Leben als jemand, der erst noch vom jungen Niemand zum JEMAND werden will. Wer durch eigenes Scheitern „geläutert“ ist, wird dennoch kaum Jüngere davon abhalten können, für ein begehrtes Ziel den persönlichen Burnout zu riskieren – und wenn doch, wäre das denn wirklich GUT?
Man sieht heute keine „zahnlosen Münder“ mehr, denn Brücken und Implantate geben jedem schon völlig zerbröckelten Gebiss den Anschein jugendlicher Perfektion. Das Spiegelbild zeigt uns gottlob nicht „die Wahrheit“ – und vielleicht täuschen wir uns ja in ganz ähnlicher Manier über den Stellenwert unserer Erfahrungen und Weisheiten.
Was aber wäre dann die Konsequenz? Verstummen?
Die Frage, wem die Altersweisheit nützt, lässt sich immerhin mit einem anderen Zitat beantworten, von dem ich leider vergessen habe, von wem es stammt:
Das Leben ist eine Lehre, mit der man, wenn man sie endlich gelernt hat, nichts mehr anzufangen weiß.
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9 Kommentare zu „Wem nützt Altersweisheit? Gibt es sie überhaupt?“.