Claudia am 26. Februar 2021 —

Vom Sinn des Bloggens über ein unbeliebtes Thema

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade “Das Blog — ein Medium von gestern?” von Meike Leoold. Unter anderem fragt sie „Warum bloggt ihr? Was treibt Euch dabei an?“ Eine Frage, die ich mir bezüglich dieses besonders wenig besuchten Blogs auch immer mal wieder stelle.

Jede/r will alt werden, aber niemand will alt sein! Schon sprachlich versuchen viele, die Alten anders zu bezeichnen: Senioren, Best Ager, Silver Ager oder Golden Ager – als würde man sie dadurch verjüngen! Auch ich hatte innere Widerstände, in meinem Hauptblog „Digital Diary“ ab und an vom eigenen Altern zu schreiben. Zipperlein, Krankheiten, Zahnersatz, eine gewisse Trauer angesichts des unübersehbaren Verfalls, gar alles rund um Tod und Sterben – all das erschien mir irgendwie unpassend. Vom „schwächeln“ schreibt man nicht in einem Umfeld, in dem sich alle bemühen, immer möglichst großartig ‚rüber zu kommen. Und ich freute mich immer schon am Internet, wo nach wie vor gilt: „nobody knows, that you are a dog!“, solange man sich nicht outet. (jetzt auch analog: Maske!)

Das Thema besser in ein extra Blog auszulagern, war durchaus ein wenig von der Angst motiviert, als „Alte“ nicht mehr Ernst genommen zu werden. Andrerseits unterschreibe ich Mails im privaten Erstkontakt gerne mal mit „so ein Internet-Urgestein“ unter dem Namen, sogar mit ein wenig Stolz auf meine lange Zeit als Internet-Aktive, die schon 1996 ihre erste Seite gebaut hat und so etwas wie ein „Blog“ (Originaltechnik, nix fürs Smartphone!) betrieben hat, nur ohne Blogsoftware. Die Gefühle zum eigenen Altern sind durchaus ambivalent, also finde ich es nach wie vor gut, ein extra Blog zum Altern zu betreiben.

Aber was heißt hier „betreiben“? Ich blogge hier selten, dem entsprechend sind auch die Besucherzahlen gering, nämlich im „niedrigen zweistelligen Bereich“, vermutlich sind die Hälfte davon Bots. Trotzdem schaffe ich das Blog nicht ab, irgendwie bleibt der Gedanke, es könnte die Zeit kommen, in der ich genügend Gründe habe, hier häufiger zu schreiben. Bin gespannt, ob ich irgendwann mal aus dem Pflegeheim blogge, wie schlecht das Essen ist oder wie blöd ich es finde, mich von einem Fremden waschen lassen zu müssen!

Ist Bloggen in der öffentlichen Wahrnehmung also eher etwas für Jüngere? Nö, das hat sich in den letzten Jahren geändert! Jugend ist auf Tictoc und „Insta“, während immer mehr „fortgeschritten Erwachsene“ bloggen. Die Sichtbarkeit der älteren Semester unter den Bloggenden hat sogar gewaltig zugenommen durch das Portal „Blogs50plus„, das dieser Tage sein fünfjähriges Bestehen feiert.

Banner blogs50plus

Da bloggen nicht nur knapp 50-Jährige, sondern auch Menschen aus der Altersgruppe 60plus und 70plus – wobei die Altersangabe immer den Zeitpunkt des Beitritts zum Portal anzeigt, da sind zwischenzeitlich sicher mehr „reingealtert“.

Die Themenvielfalt ist riesig, doch zum Altern selbst wird nach wie vor wenig geschrieben. Ist auch nicht verwunderlich in unserer Gesellschaft, in der die meisten so lange wie möglich „mithalten“ wollen. Insofern ist dieses Blog hier eine kleine Nische für gelegentliche trotzig-renitente Ánwandlungen, genau das Gegenteil zu tun, bzw. zumindest darüber zu schreiben.

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Vom Sinn des Bloggens über ein unbeliebtes Thema“.

  1. Der Artikel hat mir gut gefallen. Du hast recht. Ich schreibe auch nicht gern über das eigene Altern. Und mir ist aufgefallen, dass es den BloggerInnen im Großen und Ganzen nicht anders zu gehen scheint. Seit wir (meine Frau und ich) meine Schwiegermutter pflegen haben wir zum Thema einen neuen Zugang bekommen. Einerseits ist es deprimierend, Zeuge des geistigen und körperlichen Verfalls eines nahestehenden Menschen zu werden. Andererseits fragen wir uns, wie es uns (schon bald?) ergehen könnte. Wir haben keine Kinder. Außerdem darf man nicht damit rechnen, dass Kinder, wenn es sie denn gibt, am Prozess irgendwas ändern würden. Obwohl doch so viele Menschen von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt werden (Statistik), gehe ich davon aus, dass dieser Anteil in der Zukunft stark zurückgehen dürfte. Das liegt vor allem daran, dass für mitmenschliche Gesten die Spielräume (vor allem durch die Ansprüche im Job) kleiner werden. Noch kleiner als sie heute bereits sind.

    Meine Schwiegermutter wird von montags bis donnerstags von einem Pflegedienst morgen gewaschen. Die alte Dame (wird in diesem Jahr 97) besteht darauf, nicht von einem Pfleger gewaschen zu werden. Außerdem macht sie uns Kummer, weil sie durch eine fortschreitende Demenz Wesensänderungen zeigt, die alles noch etwas schwerer machen.

    Diesen Verfall mitzuerleben ist schwer zu verkraften. Ich mache mir – mal mehr, mal weniger – Sorgen um die Gesundheit meiner Frau. Wir haben zwischendurch darüber nachgedacht, Mutter doch in ein Pflegeheim zu bringen. Aber das bringen wir nicht über uns. Wir sind uns einig, obwohl es so schwer ist, einig. Mich beschäftigt der Gedanke, was einmal mit uns sein wird, schon sehr stark.

    Corona verschlimmert die Lage. Normalerweise kommt eine Friseuse, die Fußpflege und vor allem wöchentlich eine Bekannte, die mit Mutter für zwei Stunden „Mensch ärgere dich nicht!“ spielt. Diese „Events“, die uns für diese wenigen Stunden einmal die Woche Gelegenheit gibt, etwas gemeinsam zu unternehmen, sind seit Oktober letzten Jahres ausgesetzt. Kein Urlaub (sowieso seit über sechs Jahren), keine gemeinsamen Spaziergänge, keine Einkäufe, Nothing! Das ist für Mutter schlecht und für uns auch. Ich habe mich erkundigt, wie das mit der Impfung gehen könnte. Sie soll nach Hürth (das sind 40 km von hier). Sie ist nicht mehr mobil. Der Rat der Fachleute: Die KK bezahlen den Krankentransport. Mit anderen Worten: Mutter müsste heruntergetragen werden, im Krankenwagen 40 km (eine Strecke) transportiert werden, um dort geimpft zu werden. Danach das Gleiche rückwärts. Einen Hausarzt finden wir nicht, weil alle Hausärzte in unserem Städtchen überlastet sind. Keine Ahnung, wie wir das managen werden. Wenn Mutter etwas fehlt, müssen wir den Notarzt anrufen. Bisher war es 6 mal (statistisch also 1 x pro Jahr) der Fall, dass sie ins Krankenhaus musste. 2 x wäre sie beinahe dort verstorben. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema.

    Alles in allem kann ich nur sagen: Alt werden ist nichts für Feiglinge. Meine Mutter wird übrigens am 12. Mai auch schon 89. Sie fahre ich am kommenden Dienstag nach Hürth zur Erstimpfung. Am 23. ist der 2. Termin.

    Soviel mal zum Altwerden. Und dabei betrifft das nicht einmal uns selbst. Obwohl es auch bei mir sticht und zwickt. Alles hängt ja bekanntlich mit allem irgendwie zusammen. 💔

  2. Hallo Horst, danke für deinen langen Kommentar, der einen Einblick in dein „Leben mit dem Altern“ gibt. In Resonanz darauf denke ich: wer Hochaltrige um sich hat, zählt sich intuitiv noch eher selten zu den „Alten“. Kommt ja immer auf den Vergleich an…

    Ein Paar ohne Kinder ist immerhin noch ein Paar. Da pflegt dann, soviel ich immer mal lese, die eine den anderen, so lange es eben geht – und dann Pflegeheim. Was beim Besuch im Pflegeheim für mich zur wichtigsten Erfahrung wurde: Wie man sich dort fühlt, kommt sehr darauf an, wie man dazu steht. Die einen sind verbittert, zornig, ziehen sich ganz zurück – und wenn Besuch kommt, klagen und schimpfen sie. Andere nehmen die Gegebenheit an und machen das Beste daraus, pflegen Kontakte und beteiligen sich an den Angeboten, sind durchaus guter Dinge. Ich habe lachende und scherzende Alte dort gesehen!

  3. @ Liebe Claudia,
    du warst es ja, die vorgeschlagen hat, dass ich einen Gastbeitrag in diesem Blog schreibe. Er ist auch bei biografienforum.de A-Z (S.) zu lesen, am Samstag erscheint er bei Newslichter. Bei dir bloggen ja hauptsächlich Männer, wohl deshalb keine Kommentare. Menachem hat mir persönlich geschrieben, dass es für ihn als Mann nicht zu intim war.
    Mein Anliegen war und ist , nicht nur den Frauen die Angst vorm Altern zu nehmen. Das gelingt mir auch. Und wenn Janina Hartwig (Um Himmels Willen), die demnächst 60 wird, bei Bettina Böttinger sagte, Altwerden ist Scheiße, ist das doch eine Entwertung des Lebens. Denn nur früh zu sterben schützt davor. Ich habe vor/an meinem 40. Geburtstag beschlossen, die nächsten 45 Jahre meines Lebens bewusst und freudig zu leben und zu genießen. Und da es in Berlin so viele Neunzig- und Hundertjährige gibt, genieße ich mein Leben weiterhin. Meinen ersten Hexenschuss hatte ich ja schon mi 16, den ersten steifen Hals mit 21, das ist also nicht nur dem Alter geschuldet. Als Norbert Elias mit über 90 bei den Soziologen der TU 1987 anstatt eines Colloqiums mit zehn Studenten vor 700 Leuten einen Vortrag hielt und Fragen beantwortete, nahm ich ihn zum Vorbild.
    Dass auch Männer zum Altern bloggen, ist toll. Sie sollten sich aber nicht nur als Großväter sehen.
    Herzliche Grüße
    Nila

  4. @Nila, danke für deinen Kommentar, der meine Sicht bestätigt, dass es auch sehr auf die eigene Einstellung ankommt, wie man das Altern empfindet.
    Wer meine Artikel kommentiert, kann ich nicht beeinflussen – ich schreibe für alle und stelle mir kein spezifisches Publikum vor – außer hier vornehmlich Ältere und Alte.